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Produktives Streiten 2-teilige digitale Vortragsreihe

Aktuell ist eine der großen Herausforderungen in unserer Gesellschaft die für eine Demokratie notwendige Streitkultur aufrecht zu erhalten. Dabei ist augenfällig, dass zwar nach wie vor sehr intensiv über unterschiedliche Vorstellungen gestritten wird, dass dies aber immer seltener produktiv oder wertschätzend erfolgt. Wir erleben vielmehr, dass der Raum für Debatten durchaus kleiner wird, da im gegenseitigen Umgang nur noch Haltungen und Meinungen akzeptiert werden, die der eigenen Vorstellung entsprechen, auf keinen Fall aber der eigenen Meinung diametral entgegen stehen dürfen. Diese Meinung zu akzeptieren, erscheint häufig als inakzeptabel und nicht diskussionswürdig.

Mit der Diskussion um eine "Cancel Culture" ist auch die Frage verbunden, wie viel Gegensätzliches wir ertragen können. Die bestialische Ermordung des Lehrers Paty in Frankreich macht deutlich, wohin eine radikale Ablehnung von Meinungsfreiheit und rationaler Debattenkultur führen kann. Aktuell sichtbar ist, wie von unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen (Rechten wie Linken) immer wieder die Forderung erhoben wird, die Meinungen und Aussagen der "Anderen" zu verbieten, zumindest aber aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.

Damit wird aber der Streit, die produktive Auseinandersetzung unmöglich gemacht. Dabei bedarf es produktiven Streitens, um in unserer Demokratie ein Miteinander zu organisieren und auf einer gemeinsamen Basis die bestehenden Probleme anzugehen. 

Wir wollen uns in der zweiteiligen digitalen Vortragsreihe "Produktives Streiten" diesem überaus komplexen Thema stellen. Im ersten Teil "Woran das Streiten scheitert" wird es darum gehen, die Ursachen unproduktiven Streitens zu eruieren: Warum ist es so schwer, Menschen, die stark abweichende ideologische Standpunkte vertreten, ehrlich zuzuhören? Welche Rolle spielen Moral und Ethik hierbei? Vermeiden wir das Streiten zu oft ganz? Was sind die psychologischen Tricks, mit denen uns unser Hirn davon überzeugt, dass wir selbstverständlich im Recht sind und das Gegenüber falsch liegen muss?

Im zweiten Teil "Produktives Streiten in Zeiten von Cancel Culture" wird es konkret darum gehen, wie produktives Streiten trotz der insgesamt defizitären Debattenkultur funktionieren kann und wie wir die Mechanismen durchbrechen können, die dem entgegenstehen. Wie kann man rational streiten, produktiv diskutieren, wenn die gesellschaftliche Auseinandersetzung immer aggressiver ausgetragen wird.   

Am 25.11.2020 um 19:00 Uhr

Am 08.12.2020 um 19:00 Uhr

Zugangsdaten für die Vortragsreihe:

Link

Meeting-ID: 259 367 9956

Kenncode: 715253

 

Woran das Streiten scheitert

Ob Migrations-, Islam- und Klimadebatte oder Maßnahmen gegen Covid-19, unsere Gesellschaft spaltet sich in immer größerem Maße. Offenbar sind unüberwindbare Gräben entstanden, wenn nach einer Studie aus 2017 nur noch 52 % der Deutschen der Aussage zustimmen, dass man auch Meinungen tolerieren sollte, denen man eigentlich nicht zustimmen kann. Dabei sind der Diskurs, die Diskussion, der Streit und die Auseinandersetzung das Lebenselixier einer Demokratie. Ein Lebenselixier, das immer weniger Bürgerinnen und Bürger trinken, wenn an anderer Stelle nur 18 % der Befragten angaben, dass man seine Meinung in der Öffentlichkeit frei äußern könne. Diese gefühlte Einschränkung der Meinungsfreiheit ist eines der vielen Zeugnisse defizitärer Debattenkultur.

Der Vortrag thematisiert Gründe unproduktiven Streitens und defizitärer Debattenkultur.

Produktives Streiten in Zeiten von "Cancel Culture".

Allein des Rechtbehaltens wegen zu diskutieren nannte der Philosoph Arthur Schopenhauer "eristische Dialektik". Eine sehr fruchtlose Form des Austausches. Wie es besser geht, soll im zweiten Vortrag dieser Reihe zum produktiven Streiten aufgezeigt werden. Vor dem gesellschaftlichen Hintergrund diskursiver Phänomene wie der Cancel Culture werden die Grundideen eines produktiven Streits dargestellt. Grundideen, die uns Menschen seit der Aufklärung begleiten. Streit soll darauf aufbauend nicht mehr nur als destruktive Meinungsverschiedenheit, sondern vielmehr konstruktiv als Erkenntniswerkzeug verstanden werden.             

Deswegen bietet der Vortrag einen Leitfaden zum Streiten mit praktischen Hinweisen, wie man unter Berücksichtigung einiger simpler Tipps und Techniken im Alltag, Gespräch für Gespräch, an einer besseren Streitkultur mitwirken kann.

Zum Autor:

Felix Urban, geb. 1990, ist studierter Germanist, Philosoph sowie Erziehungswissenschaftler und lehrt an einem Gymnasium in Wuppertal. Als selbsternannter Eklektiker, der sich in seiner Erkenntnissuche um einen interdisziplinären Zugang zum Weltverstehen bemüht, engagiert er sich für einen konstruktiven und sachlichen Austausch insbesondere in den Bereichen Bildung und Ideologiekritik zwecks Erhalt und Ausbau der offenen Gesellschaft.

Zum Buch:

Das Buch "Produktives Streiten" von Tobias Wolfram, Felix Urban, Michael Tezak und Johannes Kurzbuch wurde ursprünglich als begleitende Broschüre für das diesjährige Schwerpunktthema "Die hohe Kunst der Rationalität: Fakten, Fakes und gefühlte Wahrheiten" der Giordano Bruno Stiftung konzipiert, ist aber aufgrund des im Umfangs kürzlich als achter Band in der GBS-Schriftenreihe veröffentlicht worden. GBS-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon schreibt über das Buch: "Es ist das richtige Buch zur richtigen Zeit – ein kluger Gegenentwurf zu dem brandgefährlichen identitären Lagerdenken, das immer stärker um sich greift!" Er empfiehlt die "glasklare Analyse (…) jedem (…), der sich für die Grundlagen einer rationalen Debatte interessiert."