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Olaf L. Müller: Pazifismus in Zeiten wie diesen?

Olaf L. Müller: Pazifismus in Zeiten wie diesen? Auch eine Frage von Pessimismus und Optimismus

Zusammenfassung:

Blutrünstige Angriffe wie derjenige der Hamas auf Israel am 7. Oktober stellen Pazifisten, die optimistisch auf das Gute im Menschen setzen, vor große Herausforderungen. Da sich ein pragmatischer Pazifist nicht auf reine Gesinnungsethik festlegt, hat er auf solche Herausforderungen eine doppelte Antwort. Einerseits wird er eng abgezirkelte Verteidigungserfolge mit Waffengewalt (wie etwa durch schon zehn Bewaffnete der Notfallverteidigungseinheit im Kibbuz Nir Am) nicht etwa moralisch verteufeln, sondern voller Erleichterung loben. Andererseits wird er darauf aufmerksam machen, dass es schon allein deshalb keine überzeugende rein militärische Gesamtantwort auf die fraglichen Terrorattacken geben dürfte, weil sie aller Voraussicht nach auf Seiten der Angegriffenen und deren Angehöriger so starke Rachegefühle befeuern wird, dass sich abermals zunächst harmlose Menschen in Schlächter verwandeln können. In dieser Hinsicht zieht der Pazifist pessimistische Lektionen aus der jüngsten Geschichte (etwa des NATO-Kriegs in Afghanistan). Auch bei anderen Themen ist der Pazifist pessimistischer als seine Kontrahenten, beispielsweise mit Blick auf die derzeit steigende Atomkriegsgefahr. Handelt es sich um Panik, Angst oder Sorge? Dass die gezielte Suche selbst nach recht unwahrscheinlichen Risiken eines Atomkriegs alles andere als irrational sein muss, ergibt sich aus einer kursorischen Analyse neuester Entwicklungen im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Weiter lesen 

Der Autor Olaf L. Müller studierte Mathematik und Philosophie in Göttingen. Nach einem Auslandsjahr an der UCLA in Los Angeles (1992/3) wurde er 1996 in Göttingen promoviert. Es folgten Forschungsaufenthalte an der Jagiellonischen Universität in Krakau (1996) und in Harvard (1997). 2001 Habilitation in Göttingen mit einer Arbeit zur Täuschung durch permanente Computersimulation. Seit Oktober 2003 lehrt er Philosophie mit Schwerpunkt Wissenschaftstheorie und Naturphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im WS 2016/17 hatte er eine Gastprofessur Tokyo inne. Seine Interessensgebiete sind neben der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie (insb. der Polarität anhand von Goethes Farbenlehre) auch Metaphysik, Sprachphilosophie, Metaethik, und nicht zuletzt Theorie des Pazifismus. Olaf L. Müller versucht ein humanistisches Bild der Natur- und Kulturwissenschaften zu zeichnen – sie sind für ihn Wissenschaften von Menschen für Menschen.