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150 Jahre Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen: "Unsere Gesellschaft sollte diesen Zustand nicht länger hinnehmen."

Demonstration gegen den § 218 zum Schwangerschaftsabbruch in Göttingen, Juni 1988.
Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F079091-0006 (CC-BY-SA 3.0) Demonstration gegen den § 218 zum Schwangerschaftsabbruch in Göttingen, Juni 1988.

Seit dem 15. Mai 1871 gilt in Deutschland der §218 Strafgesetzbuch: Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

In § 218 a werden zwar Ausnahmen von der Strafbarkeit geregelt, dennoch wird zunächst einmal jede Frau, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, als Straftäterin an den Pranger gestellt. Manche Menschen in unserer Gesellschaft bezeichnen auch jeden Schwangerschaftsabbruch als Mord und dürfen dies bislang ungestraft tun.

In dieses frauenfeindliche Klima passt dann auch, dass Frauen ein Abbruch zunehmend schwerer gemacht wird. Ärzt*innen dürfen gemäß §219a StGB nicht öffentlich anzeigen und informieren, wie sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Wegen wiederkehrender Angriffe durch sogenannte Lebensschützer*innen nimmt die Zahl von Ärztinnen und Ärzten, die sich zu Schwangerschaftsabbrüchen bekennen, ständig ab. Frauen wird dadurch eine wohnortnahe Abbruchmöglichkeit zunehmend erschwert, auch wenn der Abbruch gemäß §218 a für sie straffrei wäre.

"Unsere Gesellschaft sollte diesen Zustand nicht länger hinnehmen. Frauen werden durch die bestehenden Regelungen kriminalisiert und stigmatisiert", erklärt Katrin Raczynski, Vorstandsmitglied des HVD Bundesverbandes. "Wir fordern daher eine Neugestaltung des juristischen Rahmens. Der Schwangerschaftsabbruch allgemein muss zunächst einmal raus aus dem Strafgesetzbuch. Frauen benötigen in dieser sowieso schon schwierigen Situation Unterstützung und eine flächendeckende medizinische Infrastruktur anstelle von Strafandrohung und moralischer Verurteilung."

Erwin Kress, Vorstandssprecher des HVD Bundesverbandes, ergänzt: "In einer neuen gesellschaftlichen Debatte können wir dann offene Fragen klären. Dazu gehört auch der mögliche Schutz überlebensfähiger Embryonen in einem Schwangerschaftsspätstadium. Und zuallererst müssen wir durch breite und vertiefte Aufklärung einerseits, durch guten und bezahlbaren Zugang zu Verhütungsmitteln andererseits dafür sorgen, dass viele ungewollte Schwangerschaften gar nicht erst entstehen."

Der HVD Bundesverband hat den Aufruf "150 Jahre Widerstand gegen Paragraf 218 - Es reicht!" unterzeichnet. Zusammen mit 120 weiteren gesellschaftlichen Organisationen und Netzwerken fordern wir die Parteien auf, die Streichung von § 218 und § 219 a aus dem Strafgesetzbuch und eine Neuregelung in ihren Wahlprogrammen zu verankern und durchzusetzen. Der vollständige Aufruf mit den Erstunterzeichner*innen ist hier zu finden:
wegmit218.de/aufruf