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"Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen!"

Gerd Altmann_pixabay

Wer eine humanistische Namensfeier veranstalten möchte, bekommt mehr als nur ein Event, sondern pflegt einen selbstbestimmten und zugleich gemeinschaftsorientierten Lebensstil. Und das kann geradezu entwicklungsfördernd für den eigenen Nachwuchs wirken - denn eigentlich braucht es gemäß dem afrikanischen Sprichwort sogar ein ganzes Dorf, um ein Kind gut großzuziehen. Da scheint die feierliche Zusammenkunft der eigenen Sippe und des eigenen Freundeskreises schon mal ein guter Anfang zu sein - und ein positiver Start ins Leben für das jüngste Mitglied.

Der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther nämlich sieht den Kern dieses Sprichworts darin, dass Erziehung keine Individualangelegenheit der Eltern sein muss. Eingebettet in eine größere soziale Gemeinschaft hingegen birgt sie große Chancen für die Kindesentwicklung. Denn Menschen, so Hüther, seien soziale Wesen, die bereits im Mutterleib als solche entstehen - sichtbar an physiologischen Mustern, die auf Verbindung mit anderen Menschen abzielen. Für Embryos und Neugeborene sei das überlebenswichtig – und bleibe es ein Leben lang.

Von besonderer Bedeutung ist für dieses Verbundensein die Kommune, in der ein Kind aufwächst. Dort brauche es, so Hüther, eine Beziehungskultur, die die Anliegen von Kindern und Jugendlichen zu wesentlichen Anliegen mache: unter Einbeziehung der kommunalen Bildungseinrichtungen, der Schulen und Kindertagesstätten müssten Kinder und Jugendliche vielfältige Aufgaben auf allen Ebenen des kommunalen Lebens finden, an denen sie wachsen, neue Erfahrungen sammeln, Anerkennung finden und zur Bereicherung des sozialen Lebens beitragen können.

Dafür wäre eine andere Art des Umgangs miteinander vonnöten, der in intensiven, unterstützenden, ermutigenden und inspirierenden Beziehungen aller in einer Gemeinde lebenden Menschen besteht. Es braucht mehr Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichsten Menschen. Das ist die Kultivierung von Diversität. Und das geht am besten im stetigen Kontakt mit in vielerlei Hinsicht unterschiedlichen Menschen mit vielfältigen Auffassungen und multiplen Erfahrungshintergründen.

Eine zentrale Entwicklungschance besteht also im Eintreten für eine Umgebung, in der Kinder von Anfang an und dauerhaft lernen, mit Menschen, die anders sind als sie selbst, konstruktiv in Beziehung zu treten. Dazu nötig wäre für Hüther eine Umgestaltung der Kommunen zu Erfahrungsräumen, in denen Kinder eingeladen, ermutigt und inspiriert werden, mit verschiedenen Menschen zurecht zu kommen.

Wenn das für das ganze Dorf eine Rolle spielt, dann sicher auch für die eigene kleine Familie. Da kann so eine humanistische Namensfeier ein wichtiger Schritt in Richtung positiver Verbundenheit sein - und eine Möglichkeit, einen lebensbejahenden Lebenstil zu pflegen. Indem wir die bedeutsamen Momente des Lebens bewusst begehen – wie die Geburt eines Kindes – laden wir zum Teilen des eigenen Lebens in Gemeinschaft ein, zum Anerkennen und bewussten Gestalten von Individualität und Diversität, zum gemeinsamen Entdecken von Ressourcen, sozialem Rückhalt und Lebensfreude. Weil Feiern verbindet.

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Christian Lisker
Referent für praktischen Humanismus
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