Im März 2001 wurde durch eine Änderung des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen auch in diesem Bundesland das besondere Kirchgeld eingeführt.
Nur die Evangelische Kirche in NRW
Aktuell erhoben wird das besondere Kirchgeld in NRW nur von den Evangelischen Kirchen . Die katholischen Bistümer in NRW verzichten auf eine Erhebung.
Die Regelung betrifft Mitglieder der evangelischen Kirche, deren Partner keiner "steuererhebenden" Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft angehört. (Ist der Ehepartner katholisch, greift die Regel nicht).
Ist der Partner z. B. freireligiös oder konfessionslos und ist sein Einkommen höher als das des Kirchenmitglieds, dann wird die Kirchensteuer für das Kirchenmitglied nach dem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen berechnet (besonderes Kirchgeld). Damit soll ein dem Kirchenmitglied zuzuordnender Lebenshaltungsaufwand Steuergrundlage sein. (Im umgekehrten Fall, wenn das Einkommen des Kirchenmitglieds wesentlich höher ist als eines Partners, der z. B. konfessionslos ist, gilt dieses Prinzip nicht. Da besteuert die Kirche das Einkommen direkt, das bringt ihr wesentlich mehr Geld in die Kasse als die Besteuerung nach Lebenshaltungsaufwand.)
Die Kirche nimmt, was mehr einbringt
Die Höhe des besonderen Kirchgeldes ergibt sich aus der Kirchgeldtabelle der evangelischen Kirchen für das gemeinsame Einkommen der Ehegatten. So werden für ein Einkommen von 30.000 € bis 37.499 € 96 € fällig, bei einem gemeinsamen Einkommen oberhalb von 300.000 € sind es 3.600 €.
Es wird tatsächlich im Gesetz festgelegt, dass eine Vergleichsrechnung zwischen zu veranschlagendem Kirchgeld und Kirchensteuer vorzunehmen ist und der höhere Betrag festgesetzt wird.
Maßgeblich für das Kirchgeld ist die Mitgliedschaft bzw. Nichtmitgliedschaft in einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft, also in einer Religionsgemeinschaft, die eine Steuer erhebt (Kirchensteuer), wobei es unerheblich ist, ob diese über das Finanzamt eingezogen wird. Steuerhebende Religionsgemeinschaften sind die Evangelischen Landeskirchen, die Katholischen Bistümer, die Jüdischen Gemeinden und die Altkatholiken.
Auch Humanist_innen müssen Kirchgeld zahlen
Auch HVD-Mitglieder können Opfer des besonderen Kirchgeldes werden. Zwar ist der HVD als Weltanschauungsgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, aber der HVD erhebt eben keine Steuer. Tröstlich mag sein, dass Mitglieder des HVD in Nordrhein-Westfalen zumindest ihren Mitgliedsbeitrag auf das besondere Kirchgeld anrechnen lassen können. Allerdings muss dies bei der Kirchgeldstelle der Kirchen beantragt werden, wohingegen das Kirchgeld automatisch vom Finanzamt eingezogen wird.
Ansonsten bleibt Menschen, die das besondere Kirchgeld nicht zahlen wollen, nichts anderes übrig, als auf die gemeinsame Veranlagung des Einkommens zu verzichten. Dies ist allerdings mit höheren allgemeinen Steuerzahlungen verbunden. (Insofern könnte man die Vermeidung des Kirchgelds als einen Beitrag zur Steuergerechtigkeit sehen, denn gerade das Ehegattensplitting ist nach wie vor für viele gut verdienende Paare ein tolles Steuersparmodel.)
Steuererheben bewahrt vor dem besonderen Kirchgeld
Wie bereits dargestellt, werden Mitglieder einer steuererhebenden Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft vom besonderen Kirchgeld nicht betroffen.
Der Humanistischer Verband in NRW ist als Körperschaft wie andere Glaubensgemeinschaften grundsätzlich "steuerberechtigt", hat aber bisher aus gutem Grund darauf verzichtet, dieses Recht in Anspruch zu nehmen. Wir erfüllen daher nicht die Bedingung , eineKirchen-Steuer tatsächlich zu erheben. Unser Eintreten für die weltanschaulichen und religiöse Neutralität des Staates ist eben auch ein Bekenntnis dazu, dass die Finanzierung unserer weltanschaulichen Aktivitäten über freiwillige Mitgliedsbeiträge erfolgt. Darüber hinaus ist es für uns selbstverständlich, dass weder den Arbeitgeber noch den Staat zu interessieren hat, welcher Religion oder Weltanschauung man angehört, . Die (unfreiwillige) Offenbarung der Religionszugehörigkeit entspricht aber der besonderen deutschen Praxis einer Kirchensteuer und deren Einzug durch das Finanzamt.
Eine Steuer zu erheben, bedeutet aber nicht zwangsläufig, das dies durch das Finanzamt zu erfolgen hat. Andere Religionsgemeinschaften, wie z.B. die Jüdische Gemeinde Hannover K.d.ö.R., erheben selbstständig ihre Steuer und erfüllen damit tatsächlich die Bedingungen, damit ihre Mitglieder vom besonderen Kirchgeld nicht betroffen werden.
Diesen Weg ist nun auch der Humanistische Verband in Niedersachsen gegangen. Seit Januar 2019 erhebt er eine Verbandssteuer, deren Höhe sich an dem bisherigen Mitgliedsbeitrag orientiert, und ist damit eine steuererhebende Religionsgemeinschaft mit dem Ergebnis, dass das besondere Kirchgeld für "glaubensverschiedene Ehen" aus Kirchen und HVD Mitgliedern nicht mehr erhoben werden kann.
Und in NRW…
Für Nordrhein-Westfalen ist dieser Weg auch gangbar, da die Kirchensteuergesetze von NRW und Niedersachsen in Bezug auf das besondere Kirchgeld vergleichbar sind. Unser Landesverband muss sich also überlegen, ob wir diesen Weg gehen wollen. Generell müssten dann die bisherigen Mitgliedsbeiträge in eine "Steuer" umgewandelt werden. Auch wenn wir mit Sicherheit vieles besser machen als die Kirchen, allein schon dadurch, dass wir die Steuer selbst erheben würden, ist es doch ein symbolischer Einschnitt, zukünftig eine Verbandssteuer zu erheben, der gut überlegt sein will
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe des Freien Denken 1/2019. Hier geht es zur Gesamtausgabe